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Pfiffe in Nürnberg gegen Timo Werner: Verdiente Strafe für den Schwalbenkönig?

Das hat es selten gegeben in deutschen Stadien: dass ein eigener Spieler ausgepfiffen wird. Zumindest wenn dieser nicht gerade ein Schalker ist, der in Dortmund aufläuft oder umgekehrt. Doch gegen San Marino wurde der von seinen Magenproblemen genesene Timo Werner in der 2. Halbzeit eingewechselt – und gnadenlos von Teilen des eigenen Heimpublikums ausgepfiffen.

Zwar erreichte die Lautstärke dabei nicht die Dimension wie noch bei den Pfiffen in der Halbzeitshow des DFB-Pokalfinals gegen die Darbietungen von Schlagersternchen Helene Fischer. Doch sie waren unüberhörbar wahrzunehmen und zudem vielen Beteiligten ernsthaft ein Ärgernis. Dass der junge Timo Werner, gerade mal 21 Jahre alt, sich davon getroffen fühlt, ist mehr als menschlich und nachvollziehbar. Dass die gesamte Causa dann aber wieder den gesamten (Sport-) Blätterwald in Deutschland erregen musste, war genau so einzuordnen wie die Piffe an sich: völlig übertrieben.

Schwalbe gegen Schalke als Anfang von Werners Rolle als Buhmann

Doch die Akteure selbst waren daran wiederum auch nicht ganz unschuldig. Zunächst mal die Frage danach, was überhaupt vorgefallen war, dass Timo Werner zum beinahe deutschlandweiten Feindbild im Fußball geworden war. So sehr, dass ihn die doch hauptsächlich wegen der deutschen Mannschaft ins Stadion gekommenen Zuschauer in Nürnberg selbst auspfiffen, obwohl er im Trikot dieser deutschen Nationalmannschaft spielte – und nicht etwa im jenem des Gegners.

Timo Werner hatte sich am 13. Spieltag der vergangenen Saison in der Bundesliga erlaubt, eine später klar als solche zu identifizierende Schwalbe zu begehen. Daraufhin verhängte der Schiedsrichter einen völlig unverdienten Strafstoß, Leipzig verwandelte und gewann das Spiel den FC Schalke 04 mit 2:1. Wäre das alles gewesen, wäre Werner in der öffentlichen Meinung vielleicht noch davon gekommen. Er hatte aber per gerecktem Daumen auf dem Platz nonverbal dem Schiedsrichter zu dessen Entscheidung gratuliert und auch im Anschluss an die Partie behauptet, dass der Strafstoß sicher gerechtfertigt sei.

Schäbiges Rausreden nach der Schwalbe

Erst am nächsten Tag, als er schon per TV-Bilder als Betrüger überführt war, gab er auf verbal ziemlich verschlungenen Wegen zu, dass es wohl doch eine Schwalbe gewesen sein könne. Da muss man zwar einerseits sagen: Schlecht beraten von seinen Vorgesetzten, Trainer Ralph Hasenhüttl und Sportchef Ralf Rangnick, die ihn da nicht besser und gekonnter aus der Schusslinie nahmen.

Denn dass es ausgerechnet ein Leipziger war, der hier den alten Traditionsclub FC Schalke 04 betrog, war dann auch vielen neutralen Fans zu viel. Schließlich wird RB Leipzig von vielen als ohnehin mit betrügerischen oder zumindest unlauteren Mitteln in die Bundesliga vorgedrungener Club empfunden. So wurde Timo Werner mit dem doppelten Fehlgriff – seiner Schwalbe und dem anschließenden Leugnen – zum deutschlandweiten Feindbild, mit Ausnahme bei den Fans der Leipziger.

Timo Werner: Die Schwalbe war nur der Anlass, nicht der Grund

Dabei wäre die Schwalbe allein nach ein bisschen Geschrei an jenem Spieltag ein paar Tage später schon wieder aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden gewesen, wenn Werner und eben Rangnick und Co.
nicht dieses noch viel unwürdigere Schauspiel angefügt hätten. Das wiederum befeuerte nur die Ansicht vieler Traditionsfans, dass man es in Leipzig mit dem Einhalten von Regeln nicht so genau nehme. Was diese Pfiffe in Nürnberg dann eben in erster Linie auch befeuert hat. Eine einfache Schwalbe von einem Spieler des eigenen Clubs würde man niemals so hochstilisieren, dass man noch Monate später in ganz anderen Kontext diesen Spieler auspfiffe.

Löw nimmt Werner in Schutz – vergeblich

Bundestrainer Löw hatte dann auch völlig Recht, als er versuchte, die Gemüter abzukühlen. Eine Schwalbe hätten doch viele Spieler schon einmal begangen, Timo Werner sei noch dazu sehr jung und irgendwann müsse man dies auch einmal vergessen können oder zumindest abhaken. Doch hier irrte Löw, denn Werner wurde in erster Linie nicht wegen seiner Schwalbe, die man anderen Charakteren auch als clever ausgelegt hätte, sondern wegen dem anschließenden unwürdigen Rumeiern ausgepfiffen. Und eben, weil sein Club die harsche Kritik selbst damit begründete, dass der eigentliche Anlass die Zugehörigkeit von Timo Werner zu RB Leipzig sei.

Wenn die Delinquenten das schon selbst so sehen, dann nimmt der gemeine Leipzig-Hasser die Gelegenheit natürlich gerne wahr, und legt immer noch wieder einen drauf. Die Schwalbe von Timo Werner ist nun schon über ein halbes Jahr her, aber wenn man mit gellenden Pfiffen einfach immer wieder RB Leipzig ärgern kann, dann nimmt man das gerne mit, nicht zuletzt in einem Umfeld wie jenem des 1. FC Nürnberg, einem der Traditionsclubs in Deutschland überhaupt.

Timo Werner nach Spielschluss erneut schlecht beraten

Der derart bei den vermeintlich eigenen Fans in Ungnade gefallene Timo Werner legte dann aber ebenso unclever in Interviews nach dem Spiel nach. Er wiederholte den Hinweis, dass es nicht um seine Schwalbe, sondern um Leipzig bei den Pfiffen ginge. Na, wenn das so ist, werden sich die Fans am TV gedacht haben, dann werden wir auch beim nächsten Heimspiel wieder gegen Timo Werner pfeifen. Denn angekommen ist RB Leipzig als Konstrukt zwar in der Bundesliga, mittlerweile sogar in der Champions League.

In den Herzen der Fans ist der Brauseclub aber noch lange nicht akzeptiert – und dann bieten sich solche Gelegenheiten wie jene beim Spiel gegen San Marino eben an, zumal, wenn man ohnehin schon weit in Führung liegt und man mit den Pfiffen keine Punkte mehr gefährdet. Dass Werner selbst dann aber auch noch darauf hinweist, dass Schwalben doch “normal” seien und von anderen ebenso begangen würden, zeigt erneut, dass er schlecht beraten ist und wieder andere Baustellen aufmacht, die schon längst geschlossen zu sein schienen.

Dennoch können alle vorerst beruhigt sein. Die Nationalmannschaft spielt ihre nächsten drei Länderspiele beim Confed-Cup weit entfernt in Russland. Danach spielt man ebenfalls auswärts in Tschechien. Erst am 4.
September 2017 hat man in Stuttgart beim Heimspiel gegen Norwegen wieder neue Gelegenheit zu Pfiffen gegen Timo Werner im Nationaldress. Diese allerdings sind nicht gerade unwahrscheinlich: Timo Werner spielte von 2002 bis 2016 beim VfB Stuttgart, von wo aus er nach Leipzig wechselte. Auch das ist für viele Fans schließlich ein Grund für Pfiffe.

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