Porträt: FC Pipinsried – der wundersame Dorfclub aus Bayern
Dass ein Verein wie der FC Pipinsried tatsächlich in der viertklassigen Regionalliga Bayern antreten kann, ist ein echtes Märchen im deutschen Fußball. Das Stadion des Clubs fasst nach seinem Ausbau nicht weniger als 2.500 Zuschauer. Das sind rund fünf Mal mehr als Pipinsried überhaupt Einwohner zählt, denn in diesem Falle ist der Ausdruck vom “Dorfclub” tatsächlich wortwörtlich zu nehmen. Pipinsried liegt im Landkreis Dachau und verfügt gerade mal über etwas mehr als 500 Einwohner. Wie kommt es, dass ein Club aus einem solch kleinen Dorf mit seinem Team bis in die Regionalliga Bayern klettern kann?
Ende der 1960er ganz unten angefangen
Zumal der Club erst im Jahr 1967 gegründet wurde. Zuvor gab es gar keinen Sportverein in Pipinsried. Jenes Gründungsjahr trägt er auch in seinem vollen Vereinsnamen, der da “FC Pipinsried 1967” lautet. Gebräuchlicher ist der Clubname allerdings ohne die Jahreszahl. Die ganze Geschichte geht zurück auf einen Mann namens Konrad Höß, der bis vor wenigen Monaten über Jahrzehnte hinweg gleichzeitig Präsident des Clubs, aber auch Mädchen für alles und dessen Macher war. Er initiierte die Gründund des FC, er kümmerte sich um die Beschaffung der Anlage, er kümmerte sich um die Pflege und seine Familie um die Bewirtung der Zuschauer. Er hielt Ausschau nach guten Spielern, später nach guten Trainern, die er nach Pipinsried locken konnte.
Lange Jahre in der sechsten Spielklasse in Bayern
Knapp 20 Jahre nach seiner Gründung, im Jahr 1989, stieg der Verein dann zum ersten Mal in die Landesliga auf. Diese Liga war damals fünftklassig, später sechstklassig. 14 Jahre lang spielte man am Stück in dieser Landesliga, nachdem man den Abstieg 1993 mit dem Wiederaufstieg 1999 repariert hatte.
2013 gelang dann unter Spielertrainer Tobias Strobl der erstmalige Aufstieg in die Bayernliga, die inzwischen wiederum fünftklassig war. Auch hier etablierte sich der Club dauerhaft und hatte schon recht rasch mehrfach die Chance, den Aufstieg in die Regionalliga Bayern zu bewerkstelligen. Diese Chancen wurden zunächst zwar verpasst, schließlich gelang am Ende der Saison 2016/17 dann aber doch noch das große Fußballwunder im kleinen Dorf: Der FC Pipinsried stieg erstmalig in die Regionalliga Bayern auf. Dieses Märchen sorgte auch überregional für Schlagzeilen, denn damit wurde Pipinsried zum kleinsten Ort, in dem je in Deutschland viertklassig Fußball gespielt wurde.
Zuckerl im Heimspiel gegen 1860 München: 5.000 Zuschauer
Dies alles ist umso erstaunlicher, als dass man selten über die Mittel verfügte, um höherklassige Spieler zum FC Pipinsried zu locken. Stattdessen setzte man auf ein gutes Auge bei der Sichtung von interessanten Spielern und die überaus besondere Atmosphäre rund um den Club. Der ganzen Geschichte des wundersamen Aufstiegs die Krone setzte dann die folgende, erste Saison 2017/18 in der Regionalliga Bayern auf, in der der Club tatsächlich vorzeitig den Klassenerhalt sichern konnte.
Highlight jener Saison war – auch wenn es verloren wurde – das Spiel gegen den TSV 1860 München. Zehnmal so viele Fans der Münchner Löwen wie Pipinsried Einwohner hat, begleiteten ihren Club zu dem Spiel, der extra Zusatztribünen errichtet hatte. Das allein bedeutete natürlich eine immense Einnahme. Doch es kam noch besser für den FC Pipinsried und das ganze Dorf. Da die 1860er mit ihrem Sieg beim FC Pipinsried die Meisterschaft in der Regionalliga Bayern errangen, gab es nach Schlusspfiff noch eine große Sause, bei der das Dorf und der Club mächtig Umsatz erzielten. Gerüchteweise sollen mehr als 8.000 Semmeln verkauft worden sein sowie unzählige Liter Bier.
Kultclub mit Kultpräsident
Doch zurück zum FC Pipinsried. Dieser hat mittlerweile einen gewissen Kultstatus in Fußballdeutschland erlangt, die Fachzeitschrift “11Freunde” brachte ein großes Porträt des langjährigen Präsidenten Konrad Höß, der den Club mehr oder weniger im Alleingang aufgebaut und nach oben gebracht hatte. Der schrullige Höß dankte vor Kurzem ab, nicht ohne seine Nachfolge professionell geregelt zu haben.
Zu den vielen Aspekten, die Konrad Höß rund um den Club einleitete, gehörte auch der Ausbau des Stadions an der Reichertshausener Straße. Was als einfacher Sportplatz begonnen hatte, ist inzwischen tatsächlich ein – wenn auch kleines – Stadion für 2.500 Zuschauer. An seiner Südseite befindet sich sogar eine überdachte Sitztribüne.
Namhafte Spieler wird man beim FC Pipinsried wohl kaum finden. Man verfügt über eben über einen Mittelklassekader in einer Regionalliga. Vom Profifußball aus betrachte eine Ansammlung von Nobodys. Eine Ausnahme stellt allerdings Denny Herzig da. Er spielte zuvor schon für Rot-Weiss Essen, Dynamo Dresden und Eintracht Trier, ehe er sich 2015 dem FC Pipinsried anschloss, wo er bis heute spielt. Der Abwehrrecke ist eine zentrale Figur im Spiel des FC Pipinsried. Doch wenn man den Club allgemein betrachtet, geht es ohnehin weniger darum, wie dieser sich fußballerisch darstellt, sondern dass er es überhaupt so weit gebracht hat.
Wie geht die Story des FC Pipinsried weiter?
Der Zuschauerschnitt des Clubs bewegt sich trotz seines Kultcharakters in normalen Regionen für die vierte Liga. Mit einem Schnitt von etwas über 800 Zuschauern pro Heimspiel – allerdings auch geschönt durch die Massen vom TSV 1860 München – bewegt man sich sogar im guten Mittelfeld der Regionalliga Bayern. Beispielsweise zeiht man damit mehr Zuschauer als der TSV 1860 Rosenheim oder der FV Illertissen zu ihren Heimspielen.
Angesichts des neuerlichen Erfolgs mit dem erstmaligen Klassenerhalt in der Regionalliga darf man äußerst gespannt sein, wie sich die Geschichte des FC Pipinsried noch entwickeln wird. Ein Aufstieg in die dritte Liga ist zwar undenkbar, durchaus kann man den Club aber eine längerfristige Zukunft in der Viertklassigkeit zutrauen. Und damit ginge der FC Pipinsried dauerhaft in die Annalen des deutschen Fußballs ein, als jener Dorfclub, welcher nicht nur ein einmaliges Fußballwunder mit dem Aufstieg in Liga 4 schaffte. Er wäre dann dauerhaft zumindest bei jenen Fußballfans präsent, die immer mal wieder auch einen Blick in die Regionalligen in Deutschland werfen. Das gallische Dorf des deutschen Fußballs liegt eben im Landkreis Dachau, nordwestlich von München.
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