Thomas Tuchel: Keine sportlichen Gründe für Entlassung beim BVB
Der Trainerjob in der Bundesliga mag zwar hervorragend bezahlt sein, doch nur in den seltensten Fällen ist er etwas auf Dauer. Schneller als man sich umsehen kann, wird man trotz gültigen Kontraktes gefeuert, wobei es nicht einmal viel braucht, um vor die Tür gesetzt zu werden. Das beweist auch die jüngste Entlassung von Thomas Tuchel, der trotz sportlicher Erfolge und gültigen Vertrag gehen musste. Da stellt sich die Frage, ob gerade im Trainerbereich langfristig ausgelegte Verträge mit mehreren Jahren Laufzeit überhaupt sinnvoll sind?
BVB: Keine sportlichen Gründe für Trennung von Thomas Tuchel
Bei Borussia Dortmund geht es nach der Entlassung von Trainer Thomas Tuchel hoch her und immer mehr Details werden hinausposaunt. Die Öffentlichkeit ist irritiert und das Fan-Gefolge der Schwarz-Gelben ist angesichts der Tuchel-Trennung gespalten, wobei auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stärker in die Kritik geraten ist. Denn ganz nüchtern und wertfrei betrachtet, gibt es für die Trennung von Tuchel keine sportlichen Argumente. Schließlich erreichte der BVB das Viertelfinale in der Champions League, wurde Dritter in der Bundesliga und qualifizierte sich direkt für die Gruppenphase der Champions League in der kommenden Saison und am vergangenen Wochenende wurde der DFB-Pokal gewonnen.
Trotzdem geht es für Tuchel nach nur zwei Jahren und eines gültigen Kontraktes bis 2018 nicht weiter. Was zudem irritiert: Der 43-Jährige kann nicht nur ordentliche Ergebnisse präsentieren, sondern war zudem der BVB-Trainer mit dem besten Punkteschnitt in der Vereinsgeschichte. Hierfür reicht auch ein kurzer Blick auf die Tuchel-Bilanz für Borussia Dortmund:
- 107 Pflichtspiele
- 67 Siege
- 23 Remis
- 17 Niederlagen
- 251 Tore
- 115 Gegentore
- 0 Heimspielpleiten
Beleidigter Geschäftsführer reicht für Trainerentlassung
Die Gründe für die Entlassung von Thomas Tuchel sind ausschließlich privater Natur. Das Verhältnis zwischen Trainerstab und Geschäftsführung war nicht mehr zu kitten, wobei gerade nach dem fürchterlichen Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus ein Streit entfachte, der das Klima zunehmend belastet hat.
Doch die Vorgehensweise von Watzke, der kurz nach der Entlassung von Thomas Tuchel einen offenen Brief an die Fans verfasste, um die Beweggründe darzulegen, geht gar nicht – zumindest nicht der Inhalt des Schreibens, der nichts anderes als fieses Nachtreten und für den geschassten Thomas Tuchel und seinen gesamten Mitarbeite-Team eine schallende Ohrfeige ist. Der beleidigte Geschäftsführer begründet die Entlassung mit mangelndem Respekt, fehlendem Vertrauen, mangelnder Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie fehlender Authentizität und Identifikation! Darüber hinaus unterstellt Watzke Tuchel ein Defizit bei Verlässlichkeit und Loyalität. Schon starker Tobak, zumal Watzke mit diesen Zeilen grundlegende Werte eines Trainers abgesprochen werden, während sich der Vereinsboss Rückhalt bei seinen Kritikern gewinnen will.
Aber auch in der Mannschaft war der Chefcoach längst nicht unumstritten und offenbar setzte Tuchel bei der Aufstellung vor allem auf Spieler, die ihm persönlich wohl gesonnen waren. Wer sich hingegen kritisch gegen den Trainer äußerte, landete schnell auf der Tribüne. Entsprechend soll es darum gegangen sein, sich stets die Gunst des Trainers zu sichern, damit man auch auf genügend Spielzeit kommt. Fest steht, dass der BVB mit dem erfolgsbesessenen und akribischen Thomas Tuchel, der menschlich nicht als einfach gilt, viel gewonnen, aber letztendlich auch viel an Reputation verloren hat.
Lange Vertragslaufzeiten für Trainer nicht sinnvoll
Die Entlassung von Tuchel wirft aber auch allgemein die Frage auf, wie sinnvoll es ist, Trainern mit langfristigen Verträgen auszustatten? Denn als der ehemalige Mainz-Coach das Zepter in Dortmund übernahm, unterschrieb er einen Drei-Jahres-Vertrag. Laufzeiten von drei Jahren gehören längst zur Normalität, selbst eine Dauer von vier Jahren ist nichts Ungewöhnliches. Damit scheinen die Trainer ihre Macht in den Klubs stärken zu können, am Ende sind es aber sie, die in einer Krise oder bei Unstimmigkeiten immer gehen müssen. Schließlich ist und bleibt der Trainer das schwächste Glied in der Kette.
Zwar sind langfristig geschlossene Verträge für Trainer keine Job-Garantie, doch im Falle einer Entlassung winkt ihnen zumindest eine fette Entschädigung. Aus Sicht der Klubs wäre es sicher nicht verkehrt, die Laufzeiten etwas kürzer zu halten, aber zugleich wollen auch die Vereine auf der Trainerbank Sicherheit haben. Hat ein Trainer noch einen laufenden Vertrag, kann er nicht so leicht von Klubs abgeworben werden, die ihrerseits auf Trainersuche sind. Aber wenn ein Coach ein lukratives Angebot von einem anderen Klub vorliegen hat, bedeutet ein langfristiger Vertrag längst nicht 100 prozentige Sicherheit, dass dieser nicht doch den Arbeitgeber wechselt. Immer öfter werden auch für Trainer Ablösesummen gezahlt, wie gerade das Beispiel Borussia Dortmund zeigt, die unbedingt Lucien Favre vom französischen Erstligisten OGC Nizza loseisen wollen. Angeblich verlangt Nizza 5 Millionen Euro Ablöse für den Schweizer, zugleich muss der BVB für Tuchel und die ebenfalls entlassenden Assistenten über 4 Millionen Euro Abfindung löhnen. Somit kann das Tuchel-Ende die Westfalen schlappe 9 Millionen Euro kosten.
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Bundesliga mit hohem Trainerverschleiß
Und natürlich belegt auch die Statistik, dass sich langfristige Verträge von drei oder mehr Jahren nur in den seltensten Fällen lohnen, da die Vereine im Laufe der Zeit erstaunlich viele Trainer verschleißen. Folgende Übersicht zeigt, wie viele Trainer bei den Bundesligaklubs der vergangenen Saison seit Januar 2007 ihren Platz räumen mussten.
- SC Freiburg: drei Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Christian Streich ist seit 5 Jahren im Amt und hat noch Vertrag bis 2018
- Werder Bremen: vier Trainerwechsel seit Anfang 2007, der aktuelle Trainer Alexander Nouri ist September 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- Borussia Dortmund: vier Trainerwechsel seit Anfang 2007; Trainerposten aktuell vakant
- 1. FSV Mainz 05: fünf Trainerwechsel seit Anfang 2007; Martin Schmidt wurde jüngst entlassen und Sandro Schwarz als neuer Trainer vorgestellt und mit einem Vertrag bis 2020 ausgestattet
- 1. FC Köln: fünf Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Peter Stöger ist seit Juli 2013 im Amt und hat noch Vertrag bis 2020
- FC Augsburg: sechs Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Mauel Baum ist seit Dezember 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2020
- Eintracht Frankfurt: sechs Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Niko Kovac ist seit März 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- RB Leipzig: sechs Trainerwechsel seit Gründung 2009; der aktuelle Trainer Ralph Hasenhüttl ist Juli 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- SV Darmstadt: sieben Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Torsten Frings ist seit Dezember 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2018
- Borussia Mönchengladbach: sieben Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Dieter Hecking ist seit Dezember 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- VfL Wolfsburg: sieben Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Andries Jonker ist seit Februar 2017 im Amt und hat noch Vertrag bis 2018
- Hertha BSC: sieben Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Pal Dardai ist seit Februar 2015 im Amt und hat einen unbefristeten Vertrag
- FC Bayern München: acht Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Carlo Ancelotti ist seit Juli 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- Bayer Leverkusen: neun Trainerwechsel seit Anfang 2007; Trainerposten aktuell vakant
- 1899 Hoffenheim: acht Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Julian Nagelsmann ist seit Februar 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- FC Ingolstadt: zwölf Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Maik Walpurgis ist seit November 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2018
- FC Schalke 04: zwölf Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Carlo Ancelotti ist seit Juli 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
- Hamburger SV: 16 Trainerwechsel seit Anfang 2007; der aktuelle Trainer Markus Gisdol ist seit September 2016 im Amt und hat noch Vertrag bis 2019
Angesichts dieser Zahlen, macht es zumindest keinen Sinn, Trainer langfristige Verträge zu geben.
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